18 November, 2016

Über Filmmusik

Filmmusik arbeitet oft wie ein Hirtenhund, der die Herde, das Publikum, ins „richtige” Gefühl hetzen soll. Die meisten Filmmusiken jedenfalls wollen den Zuschauer vorwarnen, abholen, mitnehmen. Viel zu oft handelt es sich um „Muzak”, Gebrauchsklang, wie wir ihn aus Aufzügen oder Hotellobbys kennen.

Ich interessiere mich für Musik, die meinen Film nicht braucht, die nicht von vorne herein in einem dienstbaren Verhältnis zum Bild steht. 

Benedikt Schiefer, mit dem ich seit über 15 Jahren zusammenarbeite, ist ein Schönheitssucher, zur Hälfte aus der Zeit gefallen, zur anderen hypermodern. Dieser Widerspruch verbindet uns. 

Seine Arbeit beginnt lange vor dem Schnitt, ja manchmal bevor es ein fertiges Drehbuch gibt. Er komponiert entlang seiner Fantasie, für meinen Film, inspiriert von einer Geschichte, aber ohne konkrete Hinweise auf die Verwendung. 

Wir sprechen „unterwegs” über Klangfarben, über Instrumentierung, nur selten über Vorbilder. Es kommt vor, dass er mir am Telefon auf dem Klavier ein Motiv vorspielt. Ich besuche ihn in seinem Studio, wir hören uns Musik an, von ihm und von anderen. Am Ende dieses Prozesses steht eine ganze Fülle von Material, in mehr oder weniger roher Form. Mit diesem Material arbeiten wir, das heißt Stefan Stabenow und ich, dann im Schnitt. 

Das ist für mich die aufregendste Phase: wie sich Bilder, Szenen, Sequenzen durch Musik unverhofft verändern, aufladen, wie unsere Aufmerksamkeit verschoben wird. Oft verwenden wir die Musiken ganz anders, als von Benedikt imaginiert. 

Wenn die Auswahl und der Einsatz der Musik sich dann im Schnitt verfestigt hat, geht das Material zurück zu Benedikt und er verfeinert, spielt ein, mischt ab usw. Auch in dieser Phase entsteht noch Neues. Musiken kommen hinzu, andere fallen weg. 

Eine Musik ist dann gut für mich, wenn sich eine Szene, oder besser: unsere Wahrnehmung dieser Szene, durch sie verändert. Meine Maxime heißt: Verführung zur Aufmerksamkeit. Gute Musik hebt unsere Aufmerksamkeit auf ein anderes Niveau. Das Verhältnis der Musik zum Bild kann dabei kontrapunktisch sein oder parallel gehen, wichtig ist nur, dass sie nie das Bild doppelt, im Bild aufgeht, sich zum Sklaven macht. 


(Geschrieben anlässlich einer Veranstaltung des Goethe Institut Paris) 

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